Bundessozialgericht schiebt dem Lohndumping in der ambulanten Pflege einen Riegel vor

Am 23.3.2012 hat der Sozialhilfesenat des BSG entschieden, dass in Fällen ambulanter Pflege jedenfalls dann, wenn eine Pflegestufe festgestellt ist und Pflegesachleistungen in Anspruch genommen werden, die hauswirtschaftliche Versorgung stets nach den Tarifen, die die Pflegedienste mit den Pflegekassen vereinbaren, zu bezahlen sind – und zwar ggf. auch vom Sozialhilfeträger ( B 8 SO 1/11 R ). Im Terminsbericht führt das BSG aus: 

Zu Unrecht haben jedoch SG und LSG die Ansicht der Beklagten, den Kläger hinsichtlich einfacher hauswirtschaftlicher Versorgungen im Einzelnen auf billigere Alternativen verweisen zu können, für rechtlich zulässig erachtet. Vielmehr sind nach § 65 Abs 1 Satz 2 SGB XII die angemessenen Kosten zu übernehmen, wenn die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich ist. Dies ist schon dann aus rechtlichen Gründen der Fall, wenn eine nach den Vorschriften des SGB XI maßgebliche Pflegebedürftigkeit vorliegt und die Pflegekasse Pflegesachleistungen erbringt, die nach den Vorschriften des SGB XI durch zugelassene ambulante Pflegeeinrichtungen durchgeführt werden (müssen). In diesem Fall gelten die zwischen der Einrichtung und den Pflegekassen getroffenen vertraglichen Vereinbarungen grundsätzlich auch für den Sozialhilfeträger ( § 75 Abs 5 SGB XII). Vergütungen der Pflegeeinrichtung, die diesen Vereinbarungen entsprechen, sind nicht unangemessen iS des § 65 Abs 1 Satz 2 SGB XII.

Die Entscheidung ist weit spektakulärer, als es den Anschein hat: Denn Sozialämter bezahlen für die hauswirtschaftliche Versorgung von Pflegebedürftigen oft nur Stundensätze von 8,50 € bis 13,50 €. Wenn man das in einen Arbeitnehmerlohn umrechnet, ergibt sich ein sittenwidrig niedriger Lohn. Die Tarife mit den Pflegekassen sehen für hauswirtschaftliche Tätigkeiten Stundensätze um 20 € vor (je nach Bundesland).

Bemerkenswert an diesem Verfahren ist auch, dass die Gerichte der ersten und der zweiten Instanz jeweils den Antrag auf Prozesskostenhilfe abschlägig beschieden haben: Der fehlten, so meinten die Instanzgerichte, die hinreichenden Erfolgsaussichten, die für Prozesskostenhilfe erforderlich sind. Siehe auch: [Artikel in der Badischen Zeitung vom 7.4.2012]

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