SG Freiburg versagt Nachtwache im Hauptsacheverfahren

Im "Nachtwachenfall" hat das erstinstanzliche Gericht die Klage in der Hauptsache abgewiesen, nachdem das Landessozialgericht in drei aufeinanderfolgenden Eilentscheidungen entschieden hatte, dass der Sozialhilfeträger die Kosten einer Nachtwache (monatlich ca. 6.500 €), die notwendig ist, um die nächtliche Fixierung einer 80-jährigen Frau, die an einer chronifizierten Psychose leidet, zu vermeiden, für jeweils sechs Monate vorläufig tragen muss. Das SG Freiburg ist der Auffassung, das Pflegeheim, das zum Verfahren beigeladen wurde,  sei vertraglich – insbesondere aus dem Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI, der für fast alle Pflegeheime gilt – verpflichtet, auch die streitgegenständliche Leistung im Rahmen des vereinbarten Entgeltes zu erbringen. In der Begründung führt das Gericht aus:

"Sofern bei der Klägerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine nächtliche 1:1-Betreuung medizinisch und pflegerisch angezeigt ist, ist die Beigeladene vertraglich verpflichtet, eine entsprechende Leistung zu erbringen. Die Beigeladene kann sich ihrer vertraglichen Verpflichtungen nicht mit dem pauschalen Einwand entledigen, dass ihr mit der gegenwärtigen Personalausstattung die nächtliche Betreuung nicht möglich ist. Vielmehr muss die Beigeladene die zur Erbringung der geschuldeten Leistungen erforderlichen sächlichen und personellen Mittel bereit halten oder sich verschaffen."

Das Problem, dass Fixierungen in der Praxis häufig vorkommen, war in der Verhandlung erörtert worden. Dabei stand außer Frage, dass eine Fixierung nur dann zulässig ist, wenn alle anderen Mittel versagen. Die Rechtsprechung der Betreuungsgerichte hat die bisherigen Entscheidungen im "Nachtwachenfall" zum Anlass genommen, gründlicher zu prüfen, ob eine Fixierung durch mildere Mittel vermieden werden kann. In einer aktuellen Entscheidung hat das AG Frankfurt die Genehmigung einer Fixierung versagt (AG Frankfurt, 29.11.2012, 49 XVII HOF 3023/11) und dabei unter anderem auf den Beschluss des SG Freiburg in dieser Sache vom 15.12.2011 (S 9 SO 5771/11 ER) Bezug genommen.

Sollte diese Rechtsprechung Bestand haben, werden Pflegeheime, die auch psychisch kranke Bewohner versorgen, gezwungen sein, die besonderen Bedarfe dieser Personengruppe in Vergütungsverhandlungen zu berücksichtigten. Dem Bewohner können sie wegen der einschlägigen Regelungen des WBVG und des SGB XI jedenfalls nicht in Rechnung gestellt werden. Das könnte einerseits die Kosten der stationären Pflege in Deutschland spürbar beeinflussen und andererseits dazu beitragen, dass die freiheitsberaubende Fixierung ein echter Ausnahmefall wird. [Weitergehende Informationen zur Fixierung in Heimen: Redufix]

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