BGH zum jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis

Mit Urteil vom 18.2.2021 hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Entscheidung des OLG München vom 5.12.2019 [siehe Meldung vom 6.2.2020] zum jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis bekräftigt (Aktenzeichen III ZR 175/19). Damit ist höchstrichterlich bestätigt, dass die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis auf die Kinder- und Jugendhilfe zu übertragen ist.

Bislang herrscht in der Praxis nicht immer ein Bewusstsein darüber, dass die Leistungserbringung auf der Grundlage eines zivilrechtlichen Vertrages zwischen Leistungserbringer und leistungsberechtigter Person stattfindet. Der BGH führt in der Entscheidung dazu aus:

„Der Kostenübernahmeanspruch des Leistungsberechtigten aus § 78b Abs. 1 SGB VIII gegenüber dem öffentlichen Jugendhilfeträger setzt neben den vorgenannten Leistungserbringungsvereinbarungen voraus, dass zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer ein privatrechtlicher Vertrag - ausdrücklich oder konkludent - geschlossen wird, […]

Die Zuordnung dieser Betreuungsverträge zum Privatrecht ist unabhängig davon, ob die Leistung durch einen freien oder einen öffentlichen Träger erbracht wird. Es handelt sich regelmäßig um typengemischte Verträge, deren Schwerpunkt trotz mietvertraglicher und vereinzelter werkvertraglicher Elemente eindeutig im Dienstvertragsrecht (§§ 611 ff BGB) liegt […].” (Rn 21 f.)

Die Leistungserbringer der Kinder- und Jugendhilfe sind gut beraten, wenn sie diese Entscheidung zum Anlass nehmen, um die vertraglichen Verhältnisse mit ihren Klientinnen und Klienten zu überprüfen. Mindestens für stationäre Leistungen sollten die Verträge zwischen Leistungserbringer (Unternehmer) und Leistungsnutzer/innen (Verbrauchern) schriftlich geschlossen werden.

Mit gutem Grund schreibt das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) die Schriftform grundsätzlich vor (§ 6 WBVG). Das WBVG gilt zwar in aller Regel nicht für die Kinder- und Jugendhilfe. Denn es ist auf volljährige Verbraucher anwendbar (§ 1 Abs. 1 S. 1 WBVG), Leistungen nach § 41 SGB VIII sind ausgeschlossen (§ 2 Nr. 3WBVG) und es gilt auch nur für Bedarfe, die durch Alter, Pflegebedürftigkeit oder Behinderung bedingt sind (§ 1 Abs. 1 S. 1 WBVG). Doch die verbraucherschutzrechtlichen Erwägungen, die dem WBVG zugrunde liegen, gelten für die Kinder- und Jugendhilfe in gleicher Weise. Außerdem kann das WBVG in bestimmten Fällen auch für Leistungen nach dem SGB VIII gelten. Das betrifft z.B. eine Leistung nach § 19 SGB VIII, die wegen einer Behinderung erbracht wird (vgl. BVerwG, 22.10.2009, 5 C 19.08), wenn die leistungsberechtigte Person volljährig ist.

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