Keine Verjährung von Erstattungsforderungen nach § 50 SGB X durch die Festsetzung von Mahngebühren

Mit Urteil vom 4.3.2021, Aktenzeichen B 11 AL 5/20 R, hat das Bundessozialgericht (BSG) bestätigt, dass Forderungen aus § 50 SGB X (Erstattung von Sozialleistungen, die zu Unrecht gezahlt wurden), in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsbescheid unanfechtbar geworden ist, verjähren (§ 50 Abs. 4 SGB X) [vgl. Meldung vom 14.5.2021]. Nun liegt die schriftliche Urteilsbegründung vor. Danach gilt:

Die dreißigjährige Verjährungsfrist aus § 52 SGB X verdrängt die vierjährige Verjährungsfrist aus § 50 Abs. 4 SGB X erst dann, wenn nach Erlass des Erstattungsbescheides – zu einem Zeitpunkt, zu dem die vierjährige Verjährungsfrist aus § 50 Abs. 4 SGB X bereits läuft – ein weiterer Verwaltungsakt zur „Feststellung oder Durchsetzung der Forderung” ergeht.

Eine Mahnung ist bereits kein Verwaltungsakt, also erst recht kein Verwaltungsakt nach § 52 SGB X. Werden mit der Mahnung Mahngebühren festgesetzt, ist das zwar ein Verwaltungsakt. Doch der Regelungsgehalt dieses Verwaltungsaktes ist auf die Festsetzung der Mahngebühr beschränkt. Die Mahngebührenfestsetzung löst daher nicht die dreißigjährige Verjährungsfrist aus § 52 SGB X aus (so jetzt auch Geiger, Aufhebungs- und Erstattungsbescheide nach §§ 45, 48, 50 SGB X im SGB II und SGB III, info also 2021, S. 147 <S. 153>).

Teilt die Behörde mit, dass die Forderung nach ihrer Auffassung nicht verjährt sei, ist das kein Verwaltungsakt (§ 31 SGB X), so das BSG ausdrücklich in der Urteilsbegründung. Wenn sie die Forderung aber betreibt, ist die Feststellungsklage (§ 55 SGG), die darauf gerichtet ist, dass das Sozialgericht feststellt, dass die Forderung nicht (mehr) besteht, weil sie verjährt ist, zulässig.

Ob für Forderungen nach § 328 Abs. 3 SGB III und nach § 41a Abs. 6 SGB II die vierjährige Frist aus § 50 Abs. 4 SGB X oder die dreißigjährige Frist aus § 52 SGB X gilt, ist in der Rechtsprechung weiterhin umstritten (Geiger a.a.O. m.w.N.).

Eine interessante Frage ist, ob die Verjährung wegen § 212 BGB von neuem beginnt, wenn der Schuldner (= Adressat des Erstattungsbescheides) Ratenzahlungen leistet. Im Fall der Aufrechnung (§ 43 SGB X) ist § 212 BGB sicher nicht einschlägig. Im Fall von Ratenzahlungen könnte man vertreten, dass § 212 BGB nicht anwendbar ist, weil die Verjährung durch das Sozialgesetzbuch abschließend geregelt wird. Doch nach der Rechtsprechung des BSG ist § 208 BGB in der Fassung vor der Schuldrechtsreform zum 1.1.2002 (entspricht § 212 BGB n.F.) im Sozialrecht zu beachten (BSG, 27.9.2005, B 1 KR 31/03 R). Allerdings kommt § 212 BGB nicht zum Tragen, wenn Raten nur unter Vorbehalt oder unter Protest gezahlt werden (Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018 § 212 Rn. 14 BGB). Denn „Anerkenntnis im Sinne dieser Vorschrift ist ein tatsächliches Verhalten des Schuldners dem Gläubiger gegenüber, aus dem sich klar und unzweideutig ergibt, dass dem Schuldner das Bestehen der Schuld bewusst ist und angesichts dessen der Beteiligte darauf vertrauen darf, dass sich der Verpflichtete nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen wird.” (BGH, 5.12.1980, I ZR 179/78)

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