Leistungsausschluss für EU-Ausländer im SGB II und SGB XII ist europarechtskonform

Der Europäische Gerichtshof hat heute das Urteil in der Rechtssache Jobcenter Berlin Neukölln gegen Alimanovic bekannt gegeben. In dem Verfahren hatte der EuGH zu entscheiden, oder der Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Recht auf Arbeitsuche ergibt, gegen vorrangiges Recht der Europäischen Union verstößt. Das hat der EuGH verneint.

Diese Entscheidung ist insofern – aber auch nur insofern – bedauerlich, als das Problem des Leistungsanspruchs von Ausländern aus der EU einfach gelöst worden wäre, wenn der EuGH festgestellt hätte, dass der Leistungsausschluss gegen vorrangiges EU-Recht verstößt. Nachdem das nicht der Fall ist, ist das Problem, das sich aus dem Leistungsausschluss von EU-Ausländern ergibt, innerhalb des nationalen Rechts und damit zunächst verfassungskonform zu lösen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im "Hartz-IV-Urteil" vom 09.02.2010 [1 BvL 1/09] klargestellt hat, dass der Anspruch auf ein soziokulturelles Existenzminimum unmittelbar verfassungsrechtlicher Natur ist, kann nicht ernsthaft vertreten werden, dass ein vollständiger Leistungsausschluss für bestimmte Personengruppen innerhalb des deutschen Rechtssystems zulässig wäre. Im Beschluss vom 18.07.2012 zum Asylbewerberleistungsgesetz [1 BvL 10/10] hat das Verfassungsgericht bekräftigt, dass die Grundrechte weder von der Staatsbürgerschaft, noch von einem bestimmten Aufenthaltsstatus abhängen.


Das wird bestätigt durch eine aktuelle Entscheidung des SG Mainz vom 02.09.2015. Das SG Mainz führt hier ausdrücklich aus:

[..] der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II verstößt nach der Rechtsauffassung der erkennenden Kammer gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs. 1 GG, wie es vom BVerfG in den Urteilen vom  09.02.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) und vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) konstituiert worden ist.

Nach der Entscheidung des EuGH steht fest, dass dieser Verstoß gegen das Grundgesetz nicht durch vorrangiges Recht der EU beseitigt wird. Mit diesem Dilemma wird sich die Rechtsprechung nun auseinandersetzen müssen, bis der Gesetzgeber seiner Verpflichtung nachkommt und eine Anspruchsgrundlage für Grundsicherungsleistungen schafft, die den Vorgaben aus dem "Hartz-IV-Urteil" vom 09.02.2010 entspricht.

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