Reform des Betreuungs- und Vormundschaftsrechts tritt zum 1.1.2023 in Kraft

Der Bundesrat hat zugestimmt: Das große Gesetz zur Reform des Vormundschaftsrechts und Betreuungsrechts ist verabschiedet und tritt am 1.1.2023 in Kraft. Die Dokumente des parlamentarischen Verfahrens finden Sie hier. Das Gesetz wurde auf der Grundlage des Regierungsentwurfs (Bundestagsdrucksache 19/24445) in der Fassung der Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz (Bundestagsdrucksache 19/27287) verabschiedet. Horst Deinert hat bereits Synopsen erstellt, die auf seiner Website unter den folgenden Links zu finden sind:

Diese Synopsen erfassen nicht alle Vorschriften der Reformgesetzes. Für das Sozialrecht ist die Ergänzung von § 17 SGB I um einen Abs. 4 (Art. 9 des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts-und Betreuungsrechts) von besonderer Bedeutung (siehe Meldung vom 8.3.3021). Wegen § 37 Satz 2 SGB I gilt § 17 SGB I vorrangig im Verhältnis zu den Vorschriften der anderen Bücher des Sozialgesetzbuchs.

Das Betreuungsbehördengesetz wird durch das vollständig neue Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) ersetzt. Mit dem BtOG wird erstmals eine vom Einzelfall unabhängige förmliche Anerkennung als Berufsbetreuer eingeführt. Zugleich wird ein Register der Berufsbetreuer eingeführt, das bei der Betreuungsbehörde zu führen ist (§§ 23 ff. BtOG). Erstmals werden gesetzliche Voraussetzungen für die Bestellung als Berufsbetreuer geschaffen. Diesen Schritt wollte die Politik lange Zeit nicht gehen, weil es starke Widerstände gegen die Anerkennung des Berufs als professioneller gesetzlicher Betreuer gab. Deren Hauptgrund lag sicher darin, dass die förmliche Anerkennung des Berufs die Forderung der Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer nach einer angemessenen Vergütung stärkt.

Besonders hinweisen möchte ich auf § 8 BtOG. Diese Vorschrift soll den verfassungsrechtlich begründeten Nachrang der gesetzlichen Betreuung unterstützen – insbesondere im Verhältnis zu Sozialleistungen, die im Verhältnis zu anderen Sozialleistungen (nicht aber zur gesetzlichen Betreuung) nachrangig sind, wie z.B. die Eingliederungshilfe. Die Betreuungsbehörde soll Personen, für die die Möglichkeit einer gesetzlichen Betreuung geprüft wird, beraten und unterstützen. Dabei geht es insbesondere um die Unterstützung bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen. Wenn dies erforderlich erscheint, kann sie den Betroffenen eine „erweiterte Unterstützung” (§ 8 Abs. 3 BtOG) anbieten, die durch das Gesetz nur final und damit sehr weit definiert ist: Sie umfasst Maßnahmen, „die geeignet sind, die Bestellung eines Betreuers zu vermeiden, und die keine rechtliche Vertretung des Betroffenen durch die Behörde erfordern”.

Die Behörde kann anerkannte Betreuungsvereine oder registrierte Berufsbetreuer damit beauftragen, die erweiterte Unterstützung durchzuführen. Nach § 8 Abs. 4 BtOG erfolgt die Beauftragung durch einen Vertrag, der auch die Vergütung regelt. Dem beauftragten Verein oder Berufsbetreuer sollen, so die Bundesregierung in ihrer Begründung, keine hoheitlichen Aufgaben übertragen werden (Bundestagsdrucksache 19/24445, S. 354). Eine Beleihung findet danach nicht statt. Der Beauftragte dürfte als Verwaltungshelfer zu klassifizieren sein, dem eine öffentliche Aufgabe weisungsgebunden übertragen wird. Sein Verhältnis zu der betroffenen Person bleibt ein öffentlich-rechtliches. Gegenüber dem Betroffenen haftet der Beauftragte wie ein Beamter: Die Betreuungsbehörde muss die Handlungen des Beauftragten gegen sich gelten lassen. Die persönliche Haftung scheidet nach § 34 GG aus (BGH, 6.6.2019,  III ZR 124/18). Die gesetzliche Konzeption unterscheidet sich damit grundlegend vom sozialleistungsrechtlichen Dreiecksverhältnis, in dem zwischen leistungsberechtigter Person und Leistungserbringer i.d.R. ein zivilrechtliches Verhältnis entsteht.

Die Frage, ob das Recht der Vergabe öffentlicher Aufträge anzuwenden ist, stellt sich nicht, soweit der Wert des Auftrages unter 1.000 € (ohne USt.) bleibt. Bis zu diesem Wert ist der Direktauftrag ohne Ausschreibung zulässig (§ 14 UVgO i.V.m. dem jeweils geltenden Landesgesetz zur Inkraftsetzung der UVgO). Wenn der Wert der Beauftragung 1.000 € übersteigt, wird wohl zu prüfen sein, ob § 49 oder § 50 UVgO anzuwenden ist. Für § 50 UVgO spricht, dass der Beruf des Berufsbetreuers zu den freien Berufen gehört. Dagegen spricht die Weisungsgebundenheit, die für freie Berufe gerade atypisch ist.

Zurück
Alle Meldungen